Buchkritik „Türke aber trotzdem intelligent“ von Selcuc Cara



Es ist ein schmales Bändchen, was Selcuc Cara, Jahrgang 1969, mit „Türke aber trotzdem intelligent. Meine vollkommen verrücktes deutsches Leben“ (Hamburg, 2016) vorgelegt hat. Es handelt sich eher um eine autobiografische Skizze mit anekdotischen Charakter als um eine umfassende Autobiografie des Autoren. Die Auswahl ist selektiv. Die/der Leser*in erfährt zum Beispiel leider nicht, wie er seine Frau kennen gelernt hat, warum er sich anfangs für ein Philosophie-Studium entschieden hat oder wie er zum Segeln kam. Ebensowenig erfährt man, warum er plötzlich in Köln wohnt. 


Cara wächst als das Kind von Eltern aus Südostanatolien in der damaligen Neonazi-Hochburg Langen in NRW auf. Eindrücklich beschreibt er seine Erfahrungen von Alltagsrassismus und Alltagsneonazismus. Etwa wie die Eltern seiner ersten Freundin ihm den Umgang mit seiner Tochter verbieten, weil er Türke ist oder das Hakenkreuz an seinem Haus. Oder das racial profiling der Polizei: 
„Jahre später wurden die ständigen Polizeikontrollen zu einer dann allerdings peinlichen Schikane – besonders wenn sie in den Straßen um das Gebäude meiner Musikhochschule, direkt vor den Augen meiner Professoren und Kommilitonen stattfanden.“ (Seite 59) 
Der Buchtitel ist ein Zitat aus folgendem Erlebnis: 
„Vier Jahre waren vergangen. Ich saß an einem schwarzen Flügel in einer mit antiken Möbel überfrachteten Altbauwohnung und spielte die Aria der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. Meine über achtzigjährige Klavierlehrerin, eine ehemalige Professorin an der Musikhochschule, die sich Franz-Liszt-Enkelschülerin nennen durfte, hatte zu einem Hauskonzert ihrer Schüler geladen. Zahlreiche Eltern und ehemalige Professoren-Kollegen waren anwesend. Ihren neuen Zögling stellte sie ihren Gästen mit folgenden Worten vor:  
»Das ist Selcuk, Selcuc Cara. Er ist Türke, aber trotzdem intelligent!«“ (Seite 100) 
Vor seiner Karriere als Opernsänger ist Cara ein erfolgreicher Baskettballer und Breakdancer.  
Opernsänger wird er aus Trotz gegenüber seinem rassistischen Lehrer, der ihm die Verbindung zur deutschen Musikkultur abspricht. Schließlich wird er sogar Wagner-Sänger. 
Trotzdem kann Cara sich mit dem Betrieb der Musik-Hochschule nicht so recht arrangieren:  
„Bescheidenheit war bei diesen ausnahmslos weltberühmten Professoren – natürlich hatte keiner von ihnen je an einem kleinen oder mittleren Haus gesungen – zuallerletzt zu finden; lernen durfte nur der, der sich fügte und Interesse an ihrem Künstlertum heuchelte.“ (Seite 142-43)

Das Buch mag vor allem eine Sammlung von einzelnen Anekdoten sein mit Sprüngen dazwischen, aber sie lesen sich doch sehr interessant.  


Selcuc Cara: Türke aber trotzdem intelligent. Meine vollkommen verrücktes deutsches Leben, Hamburg 2016. 

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