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Es werden Posts vom Juli, 2020 angezeigt.

Buchkritik „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze

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Das Buch „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulz ist, entgegen der, aus seinem Titel abgeleiteten Vermutungen, kein Krimi. Es geschieht zwar ein Doppel-Selbstmord oder Doppel-Mord im letzten Drittel, aber den größten Teil des Buches geht es gar nicht um diese Tat. Der Roman von Schulz besteht aus drei Teilen von unterschiedlicher Größe. Er ist in Dresden-Blasewitz und der nahe gelegenen Sächsischen Schweiz angesiedelt. Im ersten Teil des Buches, der mehr im Umfang als die Hälfte ein nimmt, geht es um Norbert Paulini, Jahrgang 1955, einen ausgemachten Büchernarren. Es geht ihm nicht ums Schreiben, sondern um das Lesen. So macht er seine Passion zum Beruf und wird Buchhändler in der damaligen DDR. Er eröffnet 1977 ein Antiquariat. In seinem Sortiment führt er in der DDR seltene Werke. Das macht seinen versteckten Buchladen in Dresden-Blasewitz zum Anlaufpunkt für Personen, die Lektüre jenseits der DDR-Massenware suchen. Aus dieser Bildungsbürgertum-Kundschaft wird irgendwann e

Buchkritik „Superbusen“ von Paula Irmschler

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Das Buch „Superbusen“ von Paula Irmschler kann als „Nachwenderoman“ bezeichnet werden und spielt in Chemnitz. Die Hauptprotagonistin Gisela zieht von Dresden nach Chemnitz, um dort Politikwissenschaft zu studieren. Hier engagiert sie sich politisch und lebt ein Leben als linke Studentin, d.h. sie geht auf Antifa-Demos, beteiligt sich am AStA und hat es mit dem Studiumabschluss nicht eilig. Stattdessen 'wurschtelt' sie sich irgendwie durchs Leben: „In dem ungeordneten Stapel der Übrigkeiten in meinem Zimmer finde ich einen alten Mietvertrag, viele Mahnungen, Inkasso-Forderungen, die Ankündigung eines Gerichtsvollziehers, der nie gekommen ist, die Anzeige wegen Ladendiebstahls, der Brief, in dem steht, dass die Anzeige fallen gelassen wurde, ohne dass ich irgendwas dafür getan hätte, außer eben niemals Briefe zu öffnen, und drei Exmatrikulationsbescheinigungen.“ (Seite 100)  Das Buch beschreibt gut und kenntnisreich die außerparlamentarische linke Szene, etwa wenn die Link

Hörbuchkritik „Becoming“ von Michelle Obama

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Leihweise bekam ich das deutsche Hörbuch der Autobiografie „Becoming. Meine Geschichte“ von Michelle Obama und habe mir die 37 Stunden angehört, in der Michelle Obama, gelesen von Katrin Fröhlich, ihr Leben bis zum Ende der Präsidentschaft ihres Mannes schildert. Prominenten-Autobiografien sind generell heikel, weil sie fast immer dazu dienen sollen, den eigenen Ruhm zu mehren und dazu neigen dunkle Kapitel in der eigenen Vita zu verschweigen oder zu beschönigen. Trotzdem können diese literarischen Selbst-Porträts auch sehr aufschlussreich sein. Michelle Obama war nicht immer prominent und erfolgreich. Sie wurde in eine schwarze Mittelschichts-Familie in einem Arbeiterviertel am Rande des Niedergangs in der Southside von Chikago hinein geboren. Für Serien-Fans: in der Southside ist auch die Serie „Shamless“ angesiedelt. In ihrer Jugend erfährt ihr Viertel eine Bevölkerungsveränderung. Die Reicheren ziehen weg, die Ärmeren bleiben zurück. Vor allem die weißen Familien zogen in S

Buchkritik „Erfolgreich gegen Rechts“ von Angelina Flaig

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Der Titel „Erfolgreich gegen Rechts“ des dünnen Bandes von Angelina Flaig klingt nach klassischer Ratgeber-Literatur. Der lange Untertitel zeigt aber das es um eine historische Betrachtung geht: „Wie die Freiburger 'Bürgeraktion zum Schutz der Demokratie' 1969 dazu beitrug den Einzug der NPD in den Deutschen Bundestag zu verhindern“.  In dem im letzten Jahr erschienene Buch betrachtet die Historikerin Flaig die im Untertitel erwähnte Bürgeraktion, die 1967 in Freiburg gegen die NPD gegründet wurde und bis 1970 existierte.  Am Anfang stellt Flaig erst einmal fest dass sich in den 1960ern ein Generationswechsel und damit ein Wertewandel ereignete.   „Die sechziger Jahre zeichneten sich durch eine wachsende Zustimmung zur bundesrepublikanischen Demokratie sowie durch einen gleichzeitigen Rückgang der Loyaität zum Staat aus. Die politische Harmonie verlor ihren Idealwert und das politische Engagement wuchs. Die politische Kultur ließ sich nun zunehmend durch „Teilhabe,