Buchkritik „Neue Vahr Süd“ von Sven Regener




Wenn „Herr Lehmann“ der (West-)Berlin-Roman von Sven Regener war, so ist „Neue Vahr Süd“ sein Bremen-Roman.
Beschrieben wird ein früher Lebensabschnitt aus dem Leben von 'Herrn Lehmann' um das Jahr 1980. Der hat gerade seine Ausbildung beendet, wohnt noch bei seinen Eltern und muss zur Bundeswehr. Eigentlich will er gar nicht, hat aber verpennt zu verweigern. Also muss er in die Kaserne in Dörverden.
Ansonsten liest man von dem durchschnittlichen Leben eines eher orientierungslosen jungen Menschen. 'Herr Lehmann', genannt Frank nach seinem Vornamen, ist kein Held, sondern eher ein Durchschnittstyp mit den typischen Problemen seiner Generation.
Er zieht bei seinen Eltern aus und in eine WG ein. Dort gibt es allerhand Streitereien. Dann gibt es auch noch Verliebtheiten und Romanzen: „[...], und er merkte, daß ihm etwas flau im Magen wurde, und zum ersten Mal seit langer Zeit kam ihm die Erinnerung an die Möglichkeit von Sex zurück wie ein guter Freund, den man lange nicht mehr gesehen hat und dessen Namen man im ersten Moment nicht mehr weiß.“ (Seite 193)
Aus 'Herr Lehmanns' distanzierter Perspektive werden auch die Nachbeben der politisierten 68er-Generation beschrieben: Die K-Gruppen.
Die Marxisten-Leninisten unterschiedlicher Coleur bekriegen sich. Es geht um die richtige 'Linie' und gegen die „Revis“. Doch die MLer sind auf dem absteigenden Ast:
»Früher hätte man ordentlich Stunk gemacht«, sagte Martin Klapp. »Zwei, drei Genossen, zwei Bullen, richtig mit Agitation und Rumbrüllen und so, Solidarisierungen, ringkämpfe um das Transparent, Schlägerei, Aufwiegelung der werktätigen Massen, der ganze Kram!«“ (Seite 188)
Die Pragmatiker*innen wechseln währenddessen zu den neu gegründeten Grünen.

Regener ist auch ein Chronist der Jugend in den 1980er Jahren. Sein schnoddriger, norddeutscher Schreibstil voller innerer Monologe, liest sich amüsant. Das mach er angenehm realistisch, so wird Franks Bundeswehrzeit z.B. ohne den häufig anzutreffenden Kameradschaftsmythos geschildert.
Mit einem typischen, westdeutschen Lebensabschnitt füllt Regener über 500 Seiten. Das tut er sehr unterhaltsam. Wer wissen will, 'wie das damals so war', der sollte das Buch lesen. Besonders aufregend ist die Lektüre aber nicht. Das Buch ist eher eine Art literarischer Fastfood.


Sven Regener: Neue Vahr Süd, München 2006.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Reportageband „Frauen dieser Welt“ von Peter Menzel und Faith d'Aluisio

Buchkritik „Tannöd“ von Andrea Maria Schenkel

Buchkritik „Hinterwald“ von Lissbeth Lutter