Buchkritik „Ein gutes Herz“ von Leon de Winter

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter hat 2013 mit dem Roman „Ein gutes Herz“ eine Collage aus realen und fiktiven Personen vorgelegt. Das Buch ist ein verschachteltes und verknäultes Beziehungsdrama von Personen aus der Niederlanden und den USA. Hier einmal die bösartig-gute Beschreibung von Amsterdam im Buch:
„Wenn man hier an so einem Morgen die Augen aufschlägt, würde man sich am liebsten vom Dach gestürzt. Berlin, London, Paris, New York kamen morgens ganz anders in die Gänge. Wie erwachende Riesen, die sich wohlig räkelten und streckten. Theos Stadt dagegen tauchte mit verquollenen Augen und stinkenden Achseln aus der Nacht auf. Wie ein kleiner Büroangestellter mit feuchten Wunschträumen und müffelnden Fingerspitzen, die ihn daran erinnerten, wo er sich stundenlang gekratzt hatte.“
(Seite 9) Zu dem Beziehungsdrama auf mehreren realen Ebenen gesellt sich eine Portion Fantasie, denn im Buch existieren Engel. Die Geschichte beginnt im November 2004 in Amsterdam mit dem islamistischen Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh. Dieser kommt in eine Art Vor-Himmel und muss vor seinem Aufstieg in die nächste Ebene Dienst als Schutzengel leisten. Sein himmlischer Vorgesetzter ist der verstorbene Franziskaner Jimmy Davis, der es mit dem Keuschheitsgelübde nicht so ganz genau nahm. Das Herz von Jimmy Davis hat einem jüdisch-niederländischen Ex-Mafiosi namens Max Kohn als Spenderherz das Leben gerettet. Kohn versucht mehr über das Leben seines Herz-Spenders heraus zu finden. Dabei stolpert er über den Umstand das Davis eine Affäre mit Sonja Verstraete, seiner ehemaligen Geliebten, hatte. Sonja hat Kohn verlassen nachdem seine Machenschaften ihr durch eine Polizeidurchsuchung bekannt wurden. Außerdem könnte Kohn etwas mit dem Verschwinden ihres Vaters zu tun haben, der mit Kohn Geschäfte gemacht hat. Kohns ehemaliger Partner, Kicham Quaziz, ein aus Marokko stammender Berber, hat eventuell ihren Vater ermordet, der mit Kohn Geschäfte gemacht hat. Nach der Trennung von Kohn bekommt sie von ihm einen Sohn, Nathan, von dem Kohn aber nichts weiß. Sonja ist mit dem Schriftsteller Leon de Winter zusammen, der in den 1980er Jahren wiederum für Kohns Geschäfte eine erste Anschubsfinanzierung bereit stellte. Währendessen bereitet Sallie, der Sohn von Quaziz mit seinen Freunden ein islamistisches Attentat vor. Mit dessen Auswirkungen sieht sich Job Cohen, der Bürgermeister in Amsterdam, konfrontiert. Diese Beschreibung mag die Verknäulung der Handlungsstränge etwas illustrieren. Aber de Winter gelingt es. Auch das er sich selbst als einen Hauptprotagonisten in seinen Roman eingebaut hat, stört nicht sonderlich. Auch, weil de Winter sich nicht nur positiv beschreibt. Am Ende taucht dann auch noch der Rechtspopulist Geert Wilders auf. Die 500 Seiten des Romans lesen sich gut und die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten. Die Kapitel sind aus der Perspektive der Protagonisten geschrieben. Manchmal stört die Altmännergeilheit bei der Beschreibung der Frauenfiguren. Da Leo de Winter das Kind niederländischer Juden ist, haben viele Personen im Buch einen jüdischen Hintergrund. Auch dadurch wirkt die Szenerie manchmal wie eine Sitcom, die in New York spielt. Lesenswert! Leon de Winter: Ein gutes Herz, Zürich 2015.

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