Buchkritik „Die Informanten“ von Juan Gabriel Vasquez






Es ist die kolumbianische Geschichte, die Vasquez in seinem 2004 im Original erschienenen Roman „Die Informanten“ als setting verwendet. Der Roman spielt nur in Kolumbien und hier in den Städten Bogota, Medellin und Duitama.
Im Roman gibt dabei sechs Zeitebenen:
- Die Zeit 1938/39, in der aus Deutschland die jüdische Familie Gutmann flieht und nach Kolumbien einwandert.
- Die Zeit 1941-45, in der die deutschsprachige Gemeinschaft, die in Nazis und Anti-Nazis gespalten ist, vom kolumbianischen Staat mit Repression gegen echte und vermeintliche NS-AnhängerInnen, überzogen wird. Hintergrund ist die Parteinahme Kolumbiens für die Alliierten. Es gab schwarze Boykottlisten ab 1941 und ab 1944 wurden mehrere hundert deutsche Männer interniert, allerdings in einem Luxushotel.
- Die Zeit 1946/47, in der ein Mann, der diese Repression erlitten hat, an den Folgen endgültig kaputt geht. 
- Die Zeit 1988, in der der Ich-Erzähler der Geschichte, Gabriel Santoro junior, als Journalist eine Biografie mit dem Titel „Ein Leben im Exil“ über Sara Gutmann, Jahrgang 1924, veröffentlicht, die als junges Mädchen 1937 aus Deutschland flüchtete und in Kolumbien eine neue Heimat fand. 
- Die Zeit 1991, in der Santoro junior sich nach einer Krankheit mit seinem Vater, Gabriel Santoro senior (76), aussöhnt.   
- Die Zeit 1995, in der der Hauptprotagonist das Buch veröffentlicht, was der/die Leser*in mit dem Buch „Die Informanten“ gerade selber lesen. 

Der Roman ist auch eine Vater-Sohn-Geschichte. Santoro senior, der Vater des Ich-Erzählers, war Leiter des Rhetorik-Seminars beim Obersten Gerichtshof in Kolumbien.
Der Senior hat über Jahrzehnte ein altes Geheimnis bewahrt, was nach seinem Tod bei einem Autounfall am 20. Dezember 1991, aus dem Schatten an das Licht kriecht. 
Ein junger Mensch hat einen Fehler gemacht, der ihn Jahrzehnte später einholt.

Das Buch liest sich gut und beleuchtet u.a. die Kriegszeit a 1941 und Nachkriegszeit in Kolumbien. Das der Hauptleidtragende dieser Geschichte im Buch kein NS-Verfolgter, sondern ein opportunistischer und konfliktscheuer Deutsch-Kolumbianer ist, der zwischen die Fronten gerät, mag Leser*innen aus Deutschland etwas erstaunen mit Blick auf die vielen nicht erzählten Geschichten von NS-Verfolgten.
An Kolumbien Interessierte sollten auf jeden Fall zugreifen. 


Juan Gabriel Vasquez: Die Informanten, Frankfurt/Main zweite Auflage 2010. 

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