Buchkritik „Der menschliche Makel“ von Philip Roth


Das Buch „Der menschliche Makel“ des US-Schriftstellers Philip Roth gilt inzwischen als Klassiker, woran auch die Verfilmung mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle mitschuldig sein dürfte. 
Im englischen Original erschien das Buch im Jahr 2000. Es spielt aber im Jahr 1998, dem Jahr der Clinton-Lewinsky-Affäre: 
„Es war der Sommer Sommer, in dem jeder an den Penis des Präsidenten dachte und das Leben in all seiner schamlosen Schlüpfrigkeit Amerika wieder einmal in Verwirrung stürzte.“
(Seite 12)  
Coleman Silk, der angesehene Literatur-Professor und Ex-Dekan an der Universität von Athena in Neuengland, reagiert auf das Fehlen zweier im unbekannter Studenten mit der ironischen Bemerkung:  
„Kennt jemand diese Leute? Hat sie schon mal jemand im College gesehen, oder sind es dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen?“  
(Seite 15) 
Doch die beiden Studenten sind schwarz und das Zitat wird absichtlich als rassistischer Kommentar missinterpretiert. Coleman Silk will sich nicht entschuldigen für etwas, was er nie so meinte und fällt letztendlich einem Machtspiel zum Opfer. Er hatte als Dekan in Athena einige schmerzhafte Reformen vorangebracht und seine Opponenten rächen sich nun an ihm. 
Coleman zeiht sich wütend zurück und beginnt eine Beziehung mit der 34-jährigen Faunia Farley, einer Putzfrau und Farmarbeiterin. Die Analphabetin wird von ihrem Ex-Mann, den traumatisierten Vietnamkriegsveteran Lester Farley für den Unfall-Tod der beiden gemeinsamen Kinder. Die 34-Jährige beginnt mit dem 71-Jährigen eine Affäre. 1998 ist nicht zufällig das Jahr in dem Viagra auf den Markt kam.  

Coleman trifft auf einen Schriftsteller, der ganz offensichtlich das Alter Ego von Philip Roth sein soll. Anfangs dringt Coleman darauf dass dieser sein Buch übers einen Fall schreiben soll, dann freunden sie sich miteinander an. Nach Colemans und Faunias Tod entdeckt der Schriftsteller das lange gehütete Geheimnis von Coleman Silk, was dem/der Leser*in schon sehr früh enthüllt wird: Coleman Silk entstammt einer Familie von hellhäutigen Schwarzen. Um seine Chancen im Amerika der 1950er Jahre zu verbessern gibt er sich als dunkelhäutiger Weißer und Jude aus. Den letzten Anstoß gab die Reaktion seiner weißen Freundin Steena , der er seine Herkunft verheimlicht hatte, nach dem Bekanntwerden mit seiner Familie. Sie trennt sich abrupt von ihm trennt als sie erkennt dass er aus einer schwarzen Familie kommt.  
 
Das Buch ist ein Buch, was noch einmal gut klar macht, dass die Kategorie „race“ auch eine soziale Kategorie ist. Sobald Silk nicht mehr als Schwarzer, sondern als Weißer eingeführt wurde, wird er wie selbstverständlich anders behandelt. Die Praxis des „passing“, also dass sich Menschen, deren Hautfarbe das zuließ, einer anderen Gruppe zuordneten, gab es in Realität tatsächlich.    

Der Roman liest sich gut, allerdings wirkt die Figur der Professorin Delphine Roux als selbstzweifelnde rachsüchtige Feministin zu sehr wie ein lebendig gewordene antifemistisches Klischee. 
Trotz dieses Ärgernis lohnt sich die Lektüre. 


Philip Roth: Der menschliche Makel, Hamburg 2003.  

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Reportageband „Frauen dieser Welt“ von Peter Menzel und Faith d'Aluisio

Buchkritik „Tannöd“ von Andrea Maria Schenkel

Buchkritik „Hinterwald“ von Lissbeth Lutter