Buchkritik „Superbusen“ von Paula Irmschler


Das Buch „Superbusen“ von Paula Irmschler kann als „Nachwenderoman“ bezeichnet werden und spielt in Chemnitz. Die Hauptprotagonistin Gisela zieht von Dresden nach Chemnitz, um dort Politikwissenschaft zu studieren. Hier engagiert sie sich politisch und lebt ein Leben als linke Studentin, d.h. sie geht auf Antifa-Demos, beteiligt sich am AStA und hat es mit dem Studiumabschluss nicht eilig. Stattdessen 'wurschtelt' sie sich irgendwie durchs Leben:
„In dem ungeordneten Stapel der Übrigkeiten in meinem Zimmer finde ich einen alten Mietvertrag, viele Mahnungen, Inkasso-Forderungen, die Ankündigung eines Gerichtsvollziehers, der nie gekommen ist, die Anzeige wegen Ladendiebstahls, der Brief, in dem steht, dass die Anzeige fallen gelassen wurde, ohne dass ich irgendwas dafür getan hätte, außer eben niemals Briefe zu öffnen, und drei Exmatrikulationsbescheinigungen.“ (Seite 100) 

Das Buch beschreibt gut und kenntnisreich die außerparlamentarische linke Szene, etwa wenn die Linken aus Leipzig am Demonstrations-Ort eintreffen:
„In den letzten Jahren sind die Leipziger zu den Helden auf den sächsischen Demos avanciert. Ohne sie würde nicht viel klappen. Früher waren es die Menschen aus der Berliner Antifa, die wir empfingen wie Stargäste. Aber die kommen mittlerweile eher selten, weil sie sich die meiste Zeit untereinander streiten.“ (Seite 46)

Während in Chemnitz der Anti-Nazi-Abwehrkampf dominiert – der Roman spielt auch im Jahr 2018 während der rechten Aufmärsche – sind die westdeutschen Linken eher mit Theorie und sichs selbst beschäftigt:
„In den westdeutschen Studentenstädten hingegen ist jede denkbare Form von links drin, jede nischige Ausprägung, viele Identitäten und viele Fettnäpfchen. […] Mit unserem Scheiß brauchten wir wahrscheinlich gar nicht ankommen, was wir kannten, war quasi nur Grundausstattung, Einführungswerk, ABC, Linkssein für Dummys, das vorgefertigte Sub bei Subway.“ (Seite 209)

Mit Freundinnen zusammen gründet Gisela eine Band, die den Namen „Superbusen“ trägt. Überhaupt ist der Roman auch sehr musikalisch unterlegt. Immer wieder werden Lieder erwähnt oder zitiert, um die Stimmung der Hauptprotagonistin wiederzugeben. Es ist also auch eine Art musikalische Biografie von Gisela. Gleichzeitig ist es auch ein feministischer Roman, vermutlich mit autobiografischen Zügen der Autorin. Es geht viel um Frauenselbst- und -fremdbilder, Sexismus und besonders um Schönheitsideale, die man eigentlich ablehnt, denen man aber doch unterworfen ist. Auch die soziale Herkunft ist ein Thema. Gisela stammt aus einer ärmeren Familie, in der sie von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen wurde. 

Insgesamt ein klasse Buch! Lesen!


Paula Irmschler: Superbusen, Berlin 3. Auflage 2020 

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